Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt des Kindes
(OLG München, Beschluss vom 03. Mai 2023 – 2 UF 1057/22)
Leitsatz:
Die gesteigerte Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils entfällt, wenn ein anderer Unterhaltspflichtige Verwandter vorhanden ist, bei dem es sich auch um den betreuenden Elternteil handeln kann.
Als Anderer unterhaltspflichtiger Verwandter i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB kommt nach neuerer Rechtsprechung des BGH auch der betreuende Elternteil in Betracht, was zum Ausschluss der gesteigerten Unterhaltspflicht führen kann. Insbesondere dann, wenn der betreuende Elternteil etwa über das dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich Barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, entspricht es der Billigkeit, den betreuenden Elternteil auf den Barunterhalt fürs Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen. Unterhalb dieser Schwelle jedoch wird selbst bei einer erheblichen Einkommensdifferenz eine vollständige Enthaftung des an sich Barunterhaltspflichtigen Elternteils häufig ausscheiden. Letztendlich ist immer auf den Verteilungsmaßstab des § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB zurückzugreifen.
Voraussetzung für die anteilige oder vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für den Barunterhalt ist also, dass ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde, sofern der betreuende Elternteil nicht am Barunterhalt beteiligt wird. Eine Haftung des betreuenden Elternteils kommt demnach in Betracht, wenn der angemessene Selbstbehalt des Barunterhaltspflichtigen gefährdet ist.
Die Gleichwertigkeitsregel des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB gebiete es jedoch, eine Anpassung der nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts als Sockelbetrag verbleibenden beiderseitigen Einkünfte vorzunehmen. Denn bei Gefährdung des eigenen angemessen Selbstbehalts erscheint es nicht angemessen, den betreuenden Elternteil zur Zahlung eines zusätzlichen Barunterhalts zu verpflichten.
Die unterhaltsrechtliche Belastung der Eltern muss damit als Einzelfall im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen gewürdigt werden.
Exkurs:
Der notwendige Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen liegt nach der Düsseldorfer Tabelle (DT) 2023 bei 1.370,00 EUR, der angemessene Selbstbehalt dagegen bei 1.650,00 EUR.
Für Rückfragen zum Familienrecht stehen Ihnen die Anwältinnen Isabel Blumberger, Tina Wienecke, Juliane Rosen und Rechtanwalt Floris Bittlinger gerne zur Verfügung.