Sorgerechtsentzug im Verfahren auf einstweilige Anordnung

 

(Entscheidung des BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschluss v. 07.03.2023 – 1 BvR 221/23)

 

Frage nach der rechtlichen „Zulässigkeit“ einer Trennung der Kinder von den Eltern im Eilverfahren:

 

Eine räumliche Trennung der Kinder von den Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar, der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen oder aufrechterhalten werden darf.

 

Dafür sind strenge Voraussetzungen erforderlich. Nur ein besonders schwerwiegendes elterliches Fehlverhalten rechtfertigt diesen Eingriff. Mit anderen Worten muss das Kind bei seinen Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet sein.

 

Wenn also beim Kind bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine derartige erhebliche Gefährdung mit großer Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, ist eine Trennung und mithin ein Sorgerechtsentzug auch im einstweiligen Anordnungsverfahren (= Eilverfahren) möglich.

 

Im Endeffekt muss ein sofortiges Einschreiten erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine (weitere) Kindeswohlgefährdung vorliegen. Nach den vorhandenen Erkenntnissen ist keine weitere Ermittlung geboten.

 

Die Schwierigkeit, die sich hier stellt, ist, dass in Eilverfahren nicht vollumfänglich und umfassend ermittelt werden kann, d. h. die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist aus Zeitgründen nicht möglich. Die Aufklärungsmöglichkeiten sind damit beschränkt.

 

Im einstweiligen Anordnungsverfahren ist es aufgrund der Eilbedürftigkeit somit auch möglich, auf die (erneute) mündliche Anordnung zu verzichten. § 68 V Nr. 1 FamFG steht dem nicht entgegen. Diese Regelung betrifft lediglich das Hauptsacheverfahren.

 

Unser Tipp: Lassen Sie sich rechtzeitig eine gute Rechtsberatung geben und versuchen Sie nicht, solch eine prekäre, familiäre Lage eigenhändig zu lösen. Hier heißt es, kühlen Kopf bewahren!

 

Für Rückfragen zum Familienrecht stehen Ihnen die Anwältinnen Isabel Blumberger, Tina Wienecke, Juliane Rosen und Rechtanwalt Floris Bittlinger gerne zur Verfügung.