Teilungsversteigerung vor Ehescheidung: (Entscheidung des BGH, Beschluss vom 16. November 2022 – XII ZB 100/22)
Leitsatz:
- Der Schutz der Ehe und der grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung fortbestehende Charakter der ehelichen Immobilie als Ehewohnung gebieten es nicht, eine Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit per se als unzulässig anzusehen.
- Die schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten werden durch ein gesetzlich normiertes Schrankensystem und vollstreckungsschützende Vorschriften im Teilungsversteigerungsverfahren gewahrt.
Im Einzelnen:
Zur Auflösung von Miteigentum ergibt sich aus § 749 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Anspruch auf Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft hinsichtlich der gemeinsamen Ehewohnung. Dieser Anspruch besteht unstreitig nach Rechtskraft der Scheidung und wird durch ein Teilungsversteigerungsverfahren nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG, § 765 a ZPO in die Wege geleitet. Dieses Verfahren kann jeder geschiedene Ehegatte ohne Rücksicht auf den anderen führen; er/sie ist also nicht darin beschränkt, Verfügungen über sein/ihr Vermögen zu treffen.
Vor Rechtskraft der Scheidung, also in der Trennungszeit, sind an die Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie erhöhte Anforderungen gestellt. So leitet sich aus der – sich nach § 1353 Abs. 1 BGB ergebenden – Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft ein Rücksichtnahmegebot ab, wonach ein Ehegatten jeweils für sich nicht über sein Vermögen im Ganzen verfügen darf. Allerdings begründet dieses Rücksichtnahmegebot kein allgemeines Verbot der Auflösung des Miteigentums an der Ehewohnung, sondern verlangten nur die umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Eine Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit kann also ohne eine Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht generell als unzulässig angesehen werden. Denn der nicht teilungswillige Ehegatte hat kein Recht darauf, dass der äußere gegenständliche Bereich der Ehe für ihn unter allen Umständen und zu allen Zeiten im selben Umfang und in derselben Art erhalten bleibt. Auch er ist seinerseits dazu verpflichtet, auf die Belange seines Ehepartners Rücksicht zu nehmen. Die Interessen des einen Ehegatten daran, dass er sich im äußeren gegenständlichen Lebensbereich seiner Ehe ungestört entfalten kann, sind daher nach den konkreten Umständen des Einzelfalls abzuwägen gegen die Interessen des anderen Ehegatten, die er als Gläubiger an der Verwirklichung seines vermögensrechtlichen Anspruchs hat.
Stellt jedoch die eheliche Immobilie das Vermögen im Ganzen dar, so gelten die materiell-rechtlichen Einwendungen nach §§ 1365, 1353 Abs. 1 Satz 2, 242 BGB, die vom teilungsunwilligen Ehegatten im Drittwiderspruchsverfahren geltend zu machen sind.
Hier ließe sich zum einen der Einwand anführen, dass der Miteigentumsanteil an einem Grundstück das ganze Vermögen eines im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten darstelle und der Antrag auf Anordnung der Teilungsversteigerung daher entsprechend § 1365 Abs. 1 BGB der Zustimmung des anderen Miteigentümer-Ehegatten bedurft hätte.
Zum anderen die Einwendung, dass der die Aufhebung der Gemeinschaft betreibende Ehegatte mit dem Antrag auf Anordnung der Teilungsversteigerung über die noch von dem anderen Miteigentümer-Ehegatten genutzte Ehewohnung gegen seine aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleiteten ehelichen Fürsorge- und Rücksichtnahmepflichten verstoße.
Schrankensystem und vollstreckungsschützende Vorschriften im Teilungsversteigerungsverfahren
Die Aufhebung der Miteigentümergesellschaft durch Einleitung einer Teilungsversteigerung vor Rechtskraft der Scheidung ist auch nicht durch einen spezialgesetzlichen Vorrang nach § 1361 b BGB ausgeschlossen. Denn ein auf § 1361 b BGB gestütztes Ehewohnungsverfahren hat die Überlassung der Ehewohnung zur Benutzung, nicht aber die Verhinderung einer Veräußerung oder Teilungsversteigerung zum Gegenstand.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießt. Denn der teilungswillige Ehegatte ist seinerseits in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht betroffen.
Exkurs:
Nach § 749 Abs. 1 BGB kann jeder Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, die bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gemäß § 753 Abs. 1 BGB durch Zwangsversteigerung gemäß §§ 180 f. ZVG und durch Teilung des Erlöses bewirkt wird. Da im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht überprüft wird, ob aus dem Grundbuch nicht ersichtliche materielle Rechte oder Einwendungen der Teilungsversteigerung entgegenstehen könnten, kann der Miteigentümer-Ehegatte, der mit der Versteigerung nicht einverstanden ist, diese Rechte oder Einwendungen in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 771 ZPO im Wege eines („unechten“) Drittwiderspruchsantrags geltend machen, obwohl die Teilungsversteigerung im engeren Sinn keine Zwangsvollstreckung und der widersprechende Miteigentümer-Ehegatte nicht Dritter im Sinne des § 771 ZPO ist. |
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