Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 1.12.2021 (Aktenzeichen 4 SA 32/21) über den Zeitpunkt des Vorliegens einer Schwangerschaft entschieden und ist von der bisherigen Leitlinie des Bundesarbeitsgerichts abgewichen.

 

Sachverhalt

 

Die Parteien streiten sich über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

 

Die Klägerin war seit dem 15. Oktober 2020 bei der Beklagten für ein Jahr befristet eingestellt. Die Probezeit betrug 6 Monate. Die Beklagte kündigte während der Probezeit fristgerecht. Die Klägerin erfuhr am 26.11.2020 von ihrer Schwangerschaft und berief sich daher in ihrer Kündigungsschutzklage auf den Sonderkündigungsschutz des § 17 Abs. 1 Mutterschutzgesetz. Sie sei bei Ausspruch der Kündigung bereits schwanger gewesen. Der voraussichtliche Geburtstermin war der 5.8.2021.

 

Das Arbeitsgericht Heilbronn hatte die Klage abgewiesen. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Entscheidung

 

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

 

Die Kündigung ist nicht nach dem Mutterschutzgesetz unwirksam. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht schwanger.

Bei einer natürlichen Schwangerschaft liegt diese ab der Befruchtung der Eizelle vor. Um die Sicherheit und den Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin zu gewährleisten, ist vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft auszugehen. Die Beweislast hierfür trägt jedoch die Arbeitnehmerin.

Das Bundesarbeitsgericht hat bisher den Beginn der Schwangerschaft mit einer Rückrechnung von 280 Tagen vom ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin berechnet.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ist diesem Rechenmodell nicht gefolgt. Es geht davon aus, dass bei der Wahrscheinlichkeitsberechnung nur ein Zeitraum von 266 Tagen für die Schwangerschaft maßgeblich sei. Die fiktive Vorverlegung des Schwangerschaftsbeginns auf den 1. Tag der letzten Regelblutung beziehe den Kündigungsschutz auf einen Zeitpunkt, zu dem eine Schwangerschaft nicht nur wenig wahrscheinlich, sondern extrem unwahrscheinlich und praktisch fast ausgeschlossen ist. Eine solche Vorverlegung des Kündigungsschutzes auf einen Zeitpunkt vor Beginn der Schwangerschaft habe zugleich den Effekt, dass einer zunächst wirksamen Kündigung durch den praktisch stets zeitlich später liegenden tatsächlichen Schwangerschaftsbeginn nachträglich die Wirksamkeit genommen werde. Nach diesem Rechenmodell lag der Schwangerschaftsbeginn erst 4 Tage nach Zugang der Kündigung vor.

 

Praxishinweis

 

Die Revision wurde zugelassen und das Verfahren ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Das Bundesarbeitsgericht hatte zuletzt erst vor 7 Jahren (Urteil vom 26.3.2015-2 AZR 237/14) sein bisheriges Rechenmodell bestätigt. Im Hinblick auf die Schutzrechte einer schwangeren Frau bleibt zu hoffen, dass es diese Rechtsauffassung bestätigt.