Zu den Formvoraussetzung (§ 2247 BGB), die bei der Errichtung eines Testments zu beachten sind, verweisen wir auf die

Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 01.09.2023 – Aktenzeichen 33 Wx 119/23 e)

 

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer ist der Neffe der Erblasserin. Die Erblasserin hatte mehrere gesetzliche Erben der 2. und 3. Ordnung.

Der Beschwerdeführer übergab dem Nachlassgericht folgende handschriftliche Verfügung der Erblasserin:

»Testament!

Ich, xx [= Name der Erblasserin]

Vermache alles was ich habe.

Mein Sparbuch-Konto […]

Versicherung bei der […]

xx – xx

[»Unterschrift« der Erblasserin«]

An Herrn xx [= Beschwerdeführer]

xx [Anschrift]«

Das Nachlassgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbin aufgrund des Testaments ausweist, durch Beschluss zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde beim Oberlandesgericht München. Er meint, das Testament sei formwirksam errichtet, die Unterschrift decke den gesamten Inhalt des Testaments, auch wenn sie in der Mitte stehe, da das Testament nur im Zusammenhang der beiden Teile – oberhalb und unterhalb der Unterschrift – sinnvoll und vollständig sei, sodass die Unterschrift ausnahmsweise wirksam sei. Das Testament habe die Erblasserin auffällig gut sichtbar in einem Umschlag, der mit »Testament« beschriftet war, in einen Vitrinenschrank platziert. Zudem habe die Erblasserin gegenüber Verwandten und Freunden, die hier als Zeugin angeboten werden, erklärt, dass der Beschwerdeführer Alleinerbe werden solle.

 

Das Gericht entschied wie folgt:

Die Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass das Testament formunwirksam ist:

Ein eigenhändiges Testament ist nur wirksam errichtet, wenn es eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist. Die Formvorschriften sind zwingend; ein Verstoß führt zur Nichtigkeit des Testaments, auch wenn die Unterschrift und die Ernstlichkeit der Erklärung feststehen.

Durch die Formvorschriften für Testamente verfolgt das Gesetz verschiedene Zwecke: die einzuhaltenden Förmlichkeiten sollen den Erblasser dazu veranlassen, sich selbst klar darüber zu werden, welchen Inhalt seine Verfügung von Todes wegen haben soll, und seinen Willen möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen außerdem dazu dienen, Vorüberlegungen und Entwürfe von der maßgebenden Verfügung exakt abzugrenzen. Die Eigenständigkeit eines Testaments soll nach der Wertung des Gesetzes außerdem eine erhöhte Sicherheit vor Fälschungen des Erblasserwillens bieten. Alle diese Formzwecke sollen in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten der Erbprätendenten [Person, die sich berühmt, Erbe zu sein; Anmerkung der Verfasserin] über den Inhalt letztwillige Verfügungen hintanzuhalten (vergleiche BGH, Beschluss vom 9.4.1981 – IVa ZB 4/80). Ein Mindestmaß an Formerfordernissen für ein ordentliches eigenhändiges Testament ist daher im Interesse von Rechtssicherheit und privatem Rechtsfrieden unerlässlich.

Die zwingend erforderliche Unterschrift muss grundsätzlich am Schluss des Textes stehen; Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Identifikation des Erblassers zu ermöglichen, zu dokumentieren, dass der Erblasser sich zu dem über der Unterschrift befindlichen Text bekennt, sowie den Urkundentext räumlich abzuschließen und damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern. Da die Unterschrift nur den Mindestinhalt eines Testaments abschließen muss, ist unschädlich, wenn nach ihr noch den Inhalt des Testaments nicht berührende Zusätze angebracht werden, so beispielsweise Orts- und Datumsangabe; ob die Unterschrift zeitlich vor oder nach der Niederlegung des Textes liegt, ist unerheblich; für die Formgültigkeit kommt es nur darauf an, dass im Zeitpunkt des Todes eine die gesamten Erklärungen nach dem Willen des Erblassers deckende Unterschrift vorhanden ist.

Ergänzungen und Änderungen, die sich auf demselben Bogen oder Blatt befinden, auf dem auch das Testament niedergeschrieben ist, die aber von der Unterschrift des Erblassers räumlich gesehen nicht gedeckt werden, müssen grundsätzlich gleichfalls besonders unterzeichnet werden. Sie werden jedoch dann von der auf dem Testament bereits befindlichen Unterschrift gedeckt, wenn die Auslegung des Testaments ergibt, dass sie von der vorhandenen Unterschrift nach dem Willen des Erblassers gedeckt sein sollen. Dies trifft zum Beispiel zu, wenn das Testament ohne die vorgenommenen Ergänzungen lückenhaft, unvollständig oder nicht durchführbar wäre, wenn der wirkliche Wille des Erblassers nur aus beiden vom Erblasser niedergeschriebenen Erklärungen ersichtlich wird. Um dies festzustellen, können, soweit dafür ein Anhaltspunkt in der vom Erblasser niedergeschriebenen und auch unterzeichneten Erklärung vorhanden ist, auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden (vergleiche war BGH, Urteil vom 20.3.1974 – IV ZR 133/73). So wurde etwa eine privatschriftliche Verfügung als formgültig angesehen, in der »das geerbte Geld« der Kinder von den Eltern verwaltet werden sollte, und erst unterhalb der Unterschrift verfügt wurde, welche Beträge die Kinder erhalten sollten, wobei die Erblasserin die zu ergänzende Textstelle mit »x« gekennzeichnet hatte.

[…]

Dagegen können diese in der Rechtsprechung für nachträgliche Änderungen und Ergänzungen eines Testaments entwickelten allgemeinen Grundsätze auf eine Verfügung keine Anwendung finden, wenn sie ihrem Wesen und Inhalt nach den Charakter und die Bedeutung einer eigenständigen ersten letztwilligen Verfügung hat, für die im Interesse der Rechtssicherheit eine besondere Unterschrift gefordert werden muss.

Nach diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall keine wirksame letztwillige Verfügung vor:

Zwar ist der Text des Testaments oberhalb der Unterschrift hier offensichtlich lückenhaft und nicht aus sich heraus verständlich, da nicht verfügt wurde, an wen von der Erblasserin »alles vermacht« wird. Die Erblasserin konkretisierte ihren Nachlass und vermerkte auch einen Ansprechpartner bei der Versicherung, nicht aber, an wen sie ihren Nachlass vererben wolle. Damit beinhaltet der Text oberhalb der Unterschrift aber keine unvollständige Verfügung, sondern gar keine Verfügung. Die Anführung des Bedachten nach der Unterschrift »An Herrn xx [Name des Beschwerdeführers] …« kommt in Zusammenschau mit dem Textteil oberhalb der Unterschrift einer erstmaligen Verfügung gleich. Die Bedeutung des zweiten Textteils ist eine originäre eigenständige letztwillige Verfügung, die nach den genannten Grundsätzen im Interesse der Rechtssicherheit eine besondere Unterschrift fordern würde.

Nach dem äußeren Erscheinungsbild schrieb die Erblasserin zunächst auf, dass sie alles, was sie habe, vermachen, also durch letztwillige Verfügung zuwenden und damit das gesetzliche Erbrecht ausschließen wolle. Diese »Blanko«-Erklärung unterschrieb die Erblasserin. Die Kernaussage aber, an wen sie alles vermachen wolle, schrieb sie erst darunter. Damit ist die ratio der Formvorschriften, nämlich die Erblasserin dazu zu veranlassen, sich selbst klar darüber zu werden, welchen Inhalt ihre Verfügung von Todes wegen haben soll, gerade nicht erfüllt: es kommt nicht zum Ausdruck, dass sich die Erblasserin bei dem Niederschreiben und Unterschreiben des ersten Textteils ihrer Verfügung über die Person, der sie alles vermachen wollte, Klarheit verschafft hätte. Auch der weitere Sinn und Zweck der Unterschrift, Vorüberlegungen und Entwürfe von letztwilligen Verfügungen abgrenzen zu können, ist durch dieses »Blanko« gerade nicht erfüllt.

[….]

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers führt auch der Umstand, dass sich das Testament in einem Umschlag befand, der mit »Testament« beschriftet und gut sichtbar platziert war, nicht zur Formwirksamkeit des Testaments. Die Bezeichnung als »Testament« stellt keine Unterschrift, sondern nur eine Inhaltsangabe dar und besagt gerade nicht, dass die Erblasserin den gesamten Inhalt als formwirksame letztwillige Verfügung unterzeichnen wollte. Unschwer hätte die Erblasserin zusätzlich auf den Umschlag Ihre vollständige Unterschrift schreiben können.

Auch der Umstand, dass die Erblasserin gegenüber Zeugen ihren Willen geäußert hatte, den Beschwerdeführer als Alleinerben einzusetzen, kann über die Formunwirksamkeit nach § 2247 BGB nicht hinweghelfen.

[…]

 

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