Wir verweisen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.7.2021, vgl. Pressemitteilung BGH Nr. 132/2021.

„Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2021 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Dr. H. das Urteil des Landgerichts Hannover aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Das Landgericht hat den Angeklagten Sch., den früheren Oberbürgermeister der Stadt Hannover, vom Vorwurf der Untreue freigesprochen, dessen Büroleiter Dr. H. hat es wegen Betruges durch Unterlassen verurteilt. Gegenstand des Urteils waren mit dem Besoldungsrecht unvereinbare Zulagenzahlungen an den Angeklagten Dr. H, die auf dessen Forderung von dem bereits rechtskräftig wegen dreifacher Untreue verurteilten früheren Personaldezernenten der Stadt Hä. im April 2015 bewilligt wurden. Durch die ihm zur Last gelegte Tat soll der Angeklagte Dr. H. unzulässige Zahlungen in Höhe von insgesamt fast 50.000 Euro erlangt haben. Spätestens im Verlauf des Jahres 2017 soll der Angeklagte Sch. über die Rechtswidrigkeit dieser Leistungen informiert gewesen sein und sie dennoch nicht sofort unterbunden haben.

Der 6. Strafsenat hat den Freispruch des Angeklagten Sch. aufgehoben. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass Sch., nachdem er im Oktober 2017 Informationen über die mögliche Rechtswidrigkeit der Leistungen erhalten hatte, gerade den hiervon begünstigten Mitangeklagten Dr. H. mit der Überprüfung der Zulagenpraxis beauftragte und sich in der Folge mit dessen – objektiv unzutreffender – Mitteilung begnügte, Hä. habe die Zulagenzahlung „mit der Kommunalaufsicht abgestimmt“. Hinsichtlich des Angeklagten Dr. H. hat der 6. Strafsenat das Urteil unter anderem deshalb aufgehoben, weil das Landgericht einerseits dessen Pflicht zu einer frühen Aufklärung seines Dienstvorgesetzten Sch. nicht hinreichend begründet hat und andererseits Dr. H. selbst infolge der späteren Beauftragung mit der Überprüfung für das Vermögen der Stadt H. verantwortlich wurde, was den Vorwurf der Untreue begründen könnte.

Vorinstanz:

LG Hannover – Urteil vom 23. April 2020 – 70 KLs 1151 Js 37962/18

Maßgebliche Vorschriften aus dem StGB:

§ 266 Untreue

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.“

Leitsätze
StGB §§ 263, 266
1. Die Vermögensbetreuungspflicht nach § 266 StGB umschreibt eine durch Eigenverantwortlichkeit geprägte, als Hauptpflicht geschuldete Geschäftsbesorgung in einer wirtschaftlich nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit. Sie wird begründet durch Überantwortung einer Schutzfunktion für das Vermögen des Treugebers und erweist sich deshalb als Sonderpflicht zu dessen Schutz. In ihren Entstehungsvoraussetzungen und ihrem Pflichteninhalt entspricht sie damit einer Garantenpflicht.
2. Zur Pflichterfüllung kann der Treuepflichtige entweder selbst tätig werden oder im Wege der Arbeitsteilung Dritte hiermit befassen. Delegiert er die Abwehr von Vermögensschäden an Mitarbeiter, konkretisiert sich der Inhalt seiner Vermögensbetreuungspflicht zu einer Organisationspflicht und verlangt neben der ordnungsgemäßen Auswahl des Beauftragten bei Anhaltspunkten für Vermögensschädigungen dessen Kontrolle. Dies folgt aus der Einordnung der Vermögensbetreuungspflicht als Sonderpflicht, für die der Bundesgerichtshof bei Arbeitsteilung in Unternehmen die Haftung des Sonderpflichtigen für ein Organisationsverschulden anerkannt hat.
3. Einen Betrug durch Unterlassen begeht, wer aufgrund einer besonderen Einstandspflicht gerade für die vermögensrechtliche Entscheidungsfreiheit des anderen „auf Posten gestellt“ ist. Dem Täter muss demnach eine Schutzfunktion im Sinne eines überantworteten sozialen Einflussbereichs für das durch § 263 StGB geschützte Vermögen des Opfers zukommen.
4. Eine Beamtenstellung als solche begründet noch keine vermögensrelevante Aufklärungspflicht. Insbesondere besagt die dem beamtenrechtlichen Statusverhältnis innewohnende Treuepflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nichts über eine etwaige Vermögensrelevanz; mit der Zahlung der Bezüge ist vielmehr das Grundverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn betroffen. (Ls.d. Schriftltg. – NStZ 2022, 109)
BGH, Urt. v. 14.7.2021 − 6 StR 282/20 (LG Hannover)

 

Die Entscheidung ist im Volltext hier abrufbar.

 

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