Wir verweisen auf den Beschluss des Landgerichts Kiel vom 19.08.2021 – 10 Qs 43/21.

 

1. Wird das Fahrzeug einer Person durchsucht, handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die betroffene Person ist vorab gem. § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 51 Abs. 4 S. 3 BDSG auf den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung hinzuweisen. Andernfalls ist eine von ihr erteilte Einwilligung in die Durchsuchung unwirksam.

2. Ferner ist die betroffene Person vor der Durchsuchung darüber zu belehren, dass gem. § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 51 Abs. 3 S. 1, 2 BDSG die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann, ein späterer Widerruf die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung erfolgten Verarbeitung aber nicht berührt. Unterbleibt diese Belehrung, führt dies ebenfalls zur Unwirksamkeit der Einwilligung. (Leitsätze in StV Spezial, März 2022, S. 8)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 26. April 2021, durch welchen die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung des Kofferraumes des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers festgestellt worden ist, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die am 3. November 2021 erfolgte Durchsuchung des Kofferraumes des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers rechtswidrig gewesen ist.

3. Die Landeskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu tragen.

Gründe
I.

Am 3. November 2020 gegen 22:00 Uhr stand das dem Beschwerdeführer gehörende Kraftfahrzeug der Marke Mercedes-Benz, Modell E 200 CDI, mit dem amtlichen Kennzeichen … auf dem Kundenparkplatz der Filiale der Sparkasse Mittelholstein in der Dorfstraße 70 in Felde. Auf dem Fahrersitz des vorbezeichneten Kraftfahrzeuges befand sich der Mitbeschuldigte …2… und auf dem Beifahrersitz der Beschwerdeführer. Sodann fuhr ein Streifenwagen der Polizei, welcher mit zwei uniformierten Polizeibeamten besetzt war, auf den Kundenparkplatz. Unmittelbar zuvor hatte der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug verlassen, um auf dem Kundenparkplatz mit dem gesondert Verfolgten …3… zu sprechen. Die beiden Polizeibeamten stiegen aus dem Streifenwagen aus und baten die drei Anwesenden um Angabe ihrer Personalien. Dabei fiel den beiden Polizeibeamten auf, dass der vom Beschwerdeführer aus seiner Bauchtasche hervorgeholte Personalausweis stark nach Marihuana roch. Desweiteren stellten die beiden Polizeibeamten fest, dass es aus dem Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers stark nach Marihuana roch. Daraufhin fragte einer der beiden Polizeibeamten den Beschwerdeführer, ob er in dessen Bauchtasche sehen dürfe. Der Beschwerdeführer händigte sodann dem Polizeibeamten seine Bauchtasche aus. In dieser befanden sich eine Ecstasy-Tablette und eine geringe Menge Marihuana. Daraufhin fragte einer der Polizeibeamten den Beschwerdeführer, ob er in den Kofferraum von dessen Kraftfahrzeug sehen dürfe. Der Beschwerdeführer war auch damit einverstanden und öffnete den Kofferraum. Im Kofferraum befanden sich mehrere Plastiktüten, welche insgesamt ca. zwei Kilogramm Marihuana enthielten.

Im direkten Anschluss daran wurden der Beschwerdeführer und der Mitbeschuldigte …2… im Vorraum der Sparkassenfiliale von Polizeibeamten durchsucht. Der Beschwerdeführer trug zwei Mobiltelefone bei sich, welche beschlagnahmt wurden; ebenso wurde beschlagnahmt das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers. Der Mitbeschuldigte …2… trug ebenfalls ein Mobiltelefon bei sich sowie Bargeld im Gesamtwert von 2.245,- Euro; das Mobiltelefon des Mitbeschuldigten …2… und dessen Bargeld wurden ebenfalls beschlagnahmt.

Sodann nahmen die Polizeibeamten telefonischen Kontakt zu dem diensthabenden Bereitschaftsstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Kiel auf und schilderten diesem den vorstehenden Sachverhalt. Seitens des Bereitschaftsstaatsanwaltes wurde daraufhin gegen 23:45 Uhr mündlich die Durchsuchung des (übrigen) Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers sowie die Durchsuchung der Wohnungen des Beschwerdeführers und des Mitbeschuldigten …2… angeordnet. Die Durchsuchungen fanden allesamt noch in der gleichen Nacht statt. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers wurden u.a. ein weiteres Mobiltelefon und Bargeld im Gesamtwert von 2.300,- Euro gefunden; beides wurde beschlagnahmt.

Durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 3. Dezember 2020 hat der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Kiel beantragt, die Rechtswidrigkeit der am 3. November 2020 erfolgten Durchsuchung des Kofferraumes seines Kraftfahrzeuges festzustellen.

Mit Beschluss vom 26. April 2021 hat das Amtsgericht Kiel festgestellt, dass die am 3. November 2020 erfolgte Durchsuchung des Kofferraumes des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers rechtmäßig gewesen sei.

Durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 5. Mai 2021 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 26. April 2021 eingelegt.

Der Beschwerde vom 5. Mai 2021 gegen seinen Beschluss vom 26. April 2020 hat das Amtsgericht Kiel durch Beschluss vom 26. Mai 2021 nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerde statthaft (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 98 Rn. 31).

III.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die am 3. November 2020 erfolgte Durchsuchung des Kofferraumes des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers war weder durch eine richterliche Anordnung noch durch eine staatsanwaltschaftliche (Eil-)Anordnung gedeckt (vgl. dazu unten Abschnitt III 1).

Die vom Beschwerdeführer erteilte Einwilligung in die Durchsuchung wiederum war unwirksam, weshalb die Ermittlungsmaßnahme auch hierauf nicht gestützt werden kann (vgl. dazu unten Abschnitt III 2).

1.

Durchsuchungen dürfen gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich nur durch den Richter oder – bei Gefahr im Verzug – durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden. Vorliegend gab es zu keinem Zeitpunkt eine richterliche Anordnung, welche die Durchsuchung des Kofferraumes anordnete. Und die staatsanwaltschaftliche (Eil-)Durchsuchungsanordnung erging erst, als der Kofferraum bereits von den eingesetzten Polizeibeamten durchsucht worden war.

2.

Zwar bedarf es einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsanordnung nicht, wenn sich der Betroffene – wie hier der Beschwerdeführer – der Maßnahme freiwillig unterwirft, also in diese einwilligt (vgl. dazu nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 105 Rn. 1). Allerdings war die vom Beschwerdeführer erteilte Einwilligung unwirksam, weshalb die Durchsuchung vorliegend auch auf sie nicht gestützt werden konnte (vgl. dazu und zum folgenden LG Berlin, Beschluss vom 27. April 2000, Az. 504 Qs 7/20; Singelnstein, NStZ 2020, 639ff.).

Die Unwirksamkeit der Einwilligung ergibt sich zum einen daraus, dass der Beschwerdeführer von den Polizeibeamten entgegen § 500 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG nicht vor Abgabe der Einwilligung von der Widerruflichkeit und der ex-nunc-Wirkung derselben in Kenntnis gesetzt wurde.

Zum anderen ergibt sich die Unwirksamkeit der Einwilligung daraus, dass der Beschwerdeführer von den Polizeibeamten entgegen § 500 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 51 Abs. 4 S. 3 BDSG nicht auf den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung hingewiesen wurde.

§ 500 Abs. 1 StPO erklärt die § 45ff. BDSG für entsprechend anwendbar, soweit öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich der StPO personenbezogene Daten verarbeiten. Unter personenbezogenen Daten sind gemäß § 46 Nr. 1 BDSG alle Informationen zu verstehen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Verarbeitung meint gemäß § 46 Nr. 2 BDSG jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie u.a. das Erheben und das Erfassen. Vorliegend wurde seitens der in ihrem repressiven Aufgabenbereich tätig gewordenen Polizeibeamten die Information erhoben, dass sich Betäubungsmittel in dem Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers befinden. Bei dieser Information handelt es nicht um ein bloßes Sachdatum (auf welches das BDSG nicht anwendbar ist), sondern um ein personenbezogenes Datum. Zwar beziehen sich Informationen über den Inhalt einer Sache grundsätzlich alleine auf die Sache. Kein Sachdatum, sondern ein personenbezogenes Datum liegt allerdings dann vor, wenn in der Information über eine Sache aufgrund individualisierender Identifikationsmerkmale, des Detaillierungsgrades oder der Einzigartigkeit der Sache ein Bezug zu einer Person angelegt ist (vgl. dazu Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO, 3. Auflage, Art. 4 Abs. 1 Rn. 13). So liegt der Fall hier: Das Kraftfahrzeug, in welchem die Betäubungsmittel gefunden wurden, weist dadurch einen eindeutigen Bezug zum Beschwerdeführer auf, dass es auf diesen zugelassen ist. Damit bezieht sich die erhobene Information, also das Vorhandensein von Betäubungsmitteln, über das Kraftfahrzeug (auch) auf den Beschwerdeführer.

Gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 BDSG ist die betroffene Person vor der Abgabe der Einwilligung darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann (vgl. dazu § 51 Abs. 3 S. 1 BDSG), ein späterer Widerruf die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung erfolgten Verarbeitung aber nicht berührt (vgl. dazu § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG). Fehlt es – wie vorliegend – an diesen (Vorab-)Informationen, gibt die betroffene Person die Einwilligung nicht ausreichend informiert ab, mit der Folge, dass sie nicht wirksam ist, d.h. keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung darstellt (vgl. dazu auch Stemmer/Wolff in BeckOK Datenschutzrecht, 36. Edition (Stand: 1. August 2020), § 51 BDSG Rn. 23).

Gleiches gilt für den Fall, dass – wie hier – entgegen § 51 Abs. 4 S. 3 BDSG nicht vorab über den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung hingewiesen worden ist (vgl. dazu Stemmer/Wolff in BeckOK Datenschutzrecht, 36. Edition (Stand: 1. August 2020), § 51 BDSG Rn. 28; Heckmann/Paschke in Gola/Heckmann, BDSG, 13. Auflage, § 51 Rn. 45).

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO analog.

 

 

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