Am 18.11.2021 haben Rechtsanwalt Dr. Jan-Carl Janssen und Rechtsanwalt Jan-Georg Wennekers vor dem 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (1 StR 197/21) auf Revision der Angeklagten die Frage der rechtlichen Bewertung einer (rechtsstaatswidrigen) Tatprovokation durch Verdeckte Ermittler verhandelt.

Der 1. Strafsenat hat nun mit Urteil vom 16.12.2021 entschieden, dass im Falle einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation durch Verdeckte Ermittler im Sinne der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren Akbay u.a. gegen Deutschland v. 15.10.2020 aufgestellten Kriterien, ein Verfahrenshindernis anzunehmen ist. Im hiesigen Verfahren wurde zur weiteren Sachaufklärung das Urteil teilweise aufgehoben und zur weiteren Aufklärung an das Landgericht Freiburg zurückverwiesen.

Dies bedeutet eine Abkehr von der bisherigen „Strafzumessungslösung“ der deutschen Rechtsprechung, nach der ein sanktionsrechtlicher Abschlag bei der ausgeworfenen Strafe vorgenommen wurde. Die Revision hatte daher im ersichtlichen Umfang Erfolg. Diese Entscheidung stellt aus Sicht der Verteidigung einen Meilenstein im Kampf um ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) dar.

Wir begrüßen, dass der 1. Strafsenat nun Abgrenzungskriterien für die Frage der Rechtsstaatswidrigkeit einer Bewertung einer polizeilichen Tatprovokation benannt hat: Es komme einerseits darauf an, ob der Täter und ggfs. in welchem Umfang bereits in Betäubungsmittelgeschäfte verwickelt war und inwieweit der Verdeckte Ermittler physischen oder psychischen Druck aufgebaut hat. Psychischer Druck könne dabei auch durch manipulatives Einwirken, etwa den Hinweis auf „landsmannschaftliche Verbundenheit“ oder durch „starkes Nerven“ des Beschuldigten durch den Verdeckten Ermittler ausgeübt werden, so der Vorsitzende Dr. Raum in der mündlichen Urteilsbegründung.

Weiterhin bleibt die Bundesregierung aufgefordert, entsprechend ihrer Absichtserklärung im Koalitionsvertrag (S. 106), das Verbot rechtsstaatswidriger Tatprovokation im Rahmen verdeckter Ermittlungen gesetzlich zu regeln.

 

Vgl. insoweit auch:

 

Im Übrigen verweisen wir auf die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (Nr. 227/2021) vom 16.12.2021.

Anwaltsbüro im Hegarhaus Freiburg.