Aktuell gilt die Devise, dass der zwischenmenschliche Kontakt auf die Kernfamilie beschränkt werden soll. Gerade bei getrennt lebenden Elternteilen stellt sich nun die Frage, wer zur Kernfamilie gehört. Ist dies nur noch der Lebensmittelpunkt-Elternteil, oder auch der andere Elternteil, der Umgang mit dem Kind ausübt? Wie steht es um neue PartnerInnen und Familien? Viele Eltern sind aufgrund der einschneidenden Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen verunsichert, inwieweit ein Umgang noch durchgeführt werden darf und soll. Gleichzeitig bestehen Zweifel, inwieweit Umgangsverweigerungen hingenommen werden müssen. Diese Fragen können nicht einheitlich beantwortet werden, es kommt dabei – wie so häufig – auf den Einzelfall an. Eins steht jedoch fest: Die Coronakrise bedeutet kein pauschales Umgangsverbot zwischen Kindern und beiden Elternteilen. Dies stellt die Allgemeinverfügung des Landes Baden- Württemberg vom 17.03.2020 (in der Fassung vom 20.03.2020) ausdrücklich klar, denn von den Beschränkungen sind Personen ausgenommen, die in gerader Linie verwandt sind. Auch die Allgemeinverfügung der Stadt Freiburg vom 20.03.2020 sieht kein pauschales Umgangsverbot vor. Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen rechtfertigen damit keine generelle Umgangsverweigerung. Es bedarf gleichwohl immer eine Abwägung, welche Risiken im konkreten Fall bestehen. Dabei sollte das Kindeswohl leitendes Kriterium sein, allerdings auch mit einbezogen werden, ob ein Familienmitglied einer Risikogruppe angehört oder in systemrelevanten Berufen arbeitet. Bei Patchworkfamilien sind dabei alle Familienmitglieder in die Abwägung miteinzubeziehen. Weitere Leitfragen können sein: Wie alt ist das Kind, befindet es sich in einer sensiblen Bindungsphase? Wie hoch ist die Intensität von Fremdkontakten? Gibt es alternative Gestaltungsmöglichkeiten für den Umgang, zum Beispiel über Videotelefonate? Gab es in den letzten Wochen vermehrt Kontakt mit Personen außerhalb der Familie? Sofern ein Umgang bisher nur begleitet stattgefunden hat, erschwert sich die Durchführung in besonderem Maße, da die Begleitung in der aktuellen Ausnahmesituation aufgrund fehlender personeller Kapazitäten nicht sichergestellt werden kann. Unter Umständen muss in solchen Fällen der Umgang ausfallen. Es bedarf hier einer individuellen Rücksprache mit dem zuständigen Träger, bzw. dem Jugendamtsmitarbeiter. Die derzeitige Situation birgt insbesondere für die Kinder eine große Verunsicherung, daher sollte versucht werden, den Umgang so gut wie möglich beizubehalten und den Kindern so viel Sicherheit wie möglich zu geben. Dazu gehört auch, dass der Kontakt zu wichtigen Bezugspersonen – dies sind in der Regel beide Eltern – nicht abbrechen sollte und einer Entfremdung von dem Elternteil, bei dem das Kind nicht seinen Lebensmittelpunkt hat, entgegengewirkt wird. Bei der Durchführung der Umgänge ist in der aktuellen Ausnahmesituation eine gewisse Kreativität der Eltern gefragt. Sollte eine einvernehmliche Regelung dennoch nicht möglich sein, besteht weiterhin die Möglichkeit, sich mit einem (Eil-) Antrag an das Familiengericht zu wenden. Die Familiengerichte haben ihren Betrieb zwar weitgehend heruntergefahren, bearbeiten Notfälle jedoch weiterhin. Sofern eine gerichtliche Umgangsvereinbarung vorliegt, die bei Verstößen gegen die Vereinbarung Ordnungsmaßnahmen (insbesondere Ordnungsgelder) vorsieht, können bei entsprechendem Antrag grundsätzlich diese Ordnungsmaßnahmen durch die Familiengerichte verhängt werden. Wie die Gerichte ein Verhalten des anderen Elternteils allerdings bewerten, kann nicht vorhergesagt werden. Allerdings sollte in der aktuellen Ausnahmesituation vernünftig abgewogen werden, ob wirklich ein gerichtliches Eilverfahren eingeleitet werden soll. Wenn Sie weitergehende Informationen zu Ihrer individuellen Situation bekommen möchten oder Fragen haben, können Sie uns gerne kontaktieren. Für Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwältinnen Wienecke und Rosen und Rechtsanwalt Bittlinger zur Verfügung.