Entgegen der in der Gesetzesbegründung durch den Bundesgesetzgeber klar formulierten Maßgabe, hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss des 1. Strafsenats (Beschluss vom 18.04.2024 – 1 StR 106/24), der am 22.04.2024 veröffentlicht wurde, an der seit 1984 geltenden „nicht geringen Menge“ von 7,5 Gramm THC festgehalten.

Dieser soll nun auch für das Handeltreiben mit nicht geringen Mengen Cannabis nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG gelten.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ergeht sich in dem Beschluss in einer Fundamentalkritik am Konsumcannabisgesetz. Die aus der Gesetzesbegründung ersichtliche geringere Risikobewertung von THC folgt der 1. Strafsenat nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Im Lichte der legalisierten Mengen [werde] man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und [werde] der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132)

 

Hat der Bundesgerichtshof den Willen des Gesetzgebers beachtet?

Dass der zugrundeliegende gesetzgeberische Wille so sehenden Auges missachtet wird, ist aus unserer Sicht offensichtlich. Der Bundesgerichtshof meint es offensichtlich besser zu wissen als die beteiligten Bundesministerien. Dass er dabei offenbar davon vorgeht, dass sich am Stand der Wissenschaft seit 1984 rein gar nichts geändert habe, ist dann auch nicht weiter verwunderlich.

Wir halten diese Auslegung des 1. Strafsenats unter verfassungsrechtlichen Maßstäben für höchst problematisch. Das Bundesverfassungsgericht sieht Gesetzesinterpretationen, die dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen regelmäßig als verfassungswidrig an: „Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen.“ (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Ersten Senats vom 06. Juni 2018 – 1 BvR 1375/14)

 

Der aktuelle Beschluss des 1. Strafsenats erscheint insgesamt durch das Interesse geleitet, möglichst viel vom „alten Recht“ zu erhalten. Es steht zu hoffen, dass an diesem rückwärtsgewandten Kurs nicht festgehalten wird. Andere Gerichte – etwa das Landgericht Freiburg – waren in den letzten Wochen deutlich progressiver.

 

Zu allen Fragen zur Strafbarkeit nach dem Konsumcannabisgesetz stehen Ihnen die Strafverteidiger Jan-Georg Wennekers, Dr. Jan-Carl Janssen, Katharina Ebert und Jens Janssen gerne zur Verfügung.