Encrochat – das Problem ist bekannt: Deutsche Ermittlungsbehörden erhalten auf dem Umweg über die französische Behörden Zugriff auf die Kommunikation deutscher Staatsangehöriger auf deutschem Boden, die nach der deutschen Rechtsordnung so gar nicht erst hätten erhoben werden dürfen.

Die verdachtsunabhängige, ungezielte und breit gestreute heimliche Massenüberwachung, die erst auf die Generierung von Verdachtsmomenten gegen die einzelnen Nutzer und damit die systematische Suche nach Zufallsfunden gerichtet war, stellt eher eine geheimdienstliche Informationsabschöpfung dar als eine strafprozessuale Maßnahme (und diente dennoch der Einleitung von Strafverfahren) – so Prof. Dr. Tobias Singelnstein, Kriminologe an der Ruhr-Uni Bochum.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 02.03.2022, Az. 5 StR 457/21) hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt. Das deutsche Recht sehe – so der BGH – keine ausdrückliche Verwendungsbeschränkung für im Wege der Rechtshilfe aus dem Ausland erlangte Encrochat-Daten vor, dies folge aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtliche Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union.

Hiervon könne es nur dann eine Ausnahme geben, wenn ein nicht kompensierten Grundrechtsverstoßes vorliege. Die Geheimhaltung der Ermittlungsmaßnahmen würde die Vermutung, dass die französischen Behörden rechtmäßig gehandelt haben, nicht widerlegen.

Wir sind uns sicher: Das Bundesverfassungsgericht und möglicherweise auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte werden sich bald mit dieser Frage beschäftigen müssen, zumal unklar bleibt ob auch bei den deutschen Ermittlungsbehörden geheim gehalten wurde, was nach innerstaatlichen Recht nicht geheim gehalten werden darf.

 

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