Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit seiner Entscheidung vom 8.1.2021 (12 Sa 1859/19) festgehalten, dass die Regelung über die Kumulierung von unbezahlten Wegezeiten zu Lasten der Beschäftigten unverhältnismäßig in das arbeitsvertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis eingreift und daher gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam ist.

 

Sachverhalt

 

Die Parteien streiten um Gutschriften auf das Arbeitszeitkonto für Fahrzeiten von der Betriebsstätte zum wechselnden Einsatzort. Der Kläger ist als Prüftechniker bei der Beklagten beschäftigt. Er fährt vormittags zur Betriebsstätte der Beklagten, um dort administrative Vorgänge zu erledigen. Von dort fährt er als Beifahrer zu jeweils wechselnden auswärtigen Arbeitsstellen. Diese Fahrten von der Betriebsstätte zur auswärtigen Arbeitsstelle wurden von der Beklagten nur insoweit vergütet, als sie eine Zeit von 1,25 Stunden überschritten haben. Sie nimmt Bezug auf eine Betriebsvereinbarung, wonach die „Anfahrt zur Baustelle ab Firmengelände“ erst nach 1,25 Stunden als Arbeitszeit, die Rückfahrtzeit vollständig als Arbeitszeit zählt.

Das Arbeitsgericht Eberswalde hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Kläger Erfolg. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht entscheidet.

 

Entscheidung

 

Das Landesarbeitsgericht gibt dem Antrag auf Gutschrift der Fahrzeiten auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers statt.

Die Fahrten von der Betriebsstätte zur auswärtigen Arbeitsstelle sind in vollem Umfang gemäß § 611a Abs. 2 BGB als Arbeitszeit zu vergüten.

Die Regelung in der Betriebsvereinbarung, nach der ein Prüftechniker im Außendienst jeweils 1,25 Stunden Anfahrtsweg nicht vergütet erhält, ist wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam.

Dies begründet das Landesarbeitsgericht insbesondere damit, dass zu den unbezahlten Wegezeiten zwischen Betriebsstätte und Einsatzort stets die nach allgemeinen Grundsätzen unbezahlte Wegezeit zwischen Wohnort und Betriebsstätte noch hinzukommt und daher die Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich der Relation von vergütungspflichtiger und vergütungsfrei gestellter Arbeitszeit (durch Betriebsvereinbarung) nicht ausreichend berücksichtigt würden. Da der Kläger seine Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte erbringt, zählt diese Fahrt zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Der Arbeitsvertrag unterscheidet nicht zwischen der Entlohnung der eigentlichen Tätigkeit als Prüftechniker und der Fahrzeit, weshalb es sich auch um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt.

Es ist zwar möglich, eine andere Vergütung für die Fahrzeit durch Betriebsvereinbarung festzulegen, jedoch nicht eine Absenkung des Stundenlohns auf Null.